Wie geht üben?

Üben ist notwendig! Das ist gar keine Frage.
Aber: Was geschieht eigentlich beim Üben?

Vor einem Anwortversuch soll der Problemgehalt der Frage etwas weiter verdeutlicht werden.
Nehmen wir als erstes Beispiel einen Rechensatz. Niemand wird bestreiten, dass Sätze wie "sieben und acht ist fünfzehn" oder fünf mal fünf ist fünfundzwanzig" sozusagen wie im Schlaf gekonnt sein sollten. Hierzu eine Testfrage an alle Menschen, die älter als 8 Jahre und keine Grundschullehrerin sind. Was ist sieben mal neun? Die meisten Menschen antworten nicht unmittelbar und spontan. Sie reproduzieren im "stillen Reden mit sich selbst" wie folgt oder ähnlich: sieben mal neun ..äh.. neun mal sieben ..äh.. zehn mal sieben ..äh.. siebzig minus sieben; ach ja: dreiundsechszig!
Nehmen wir als zweites Beispiel einen nicht-kognitiven Sachverhalt, nämlich das Autofahren. Nicht-kognitiv bedeutet hier nicht, dass das Großhirn nicht beteiligt ist, wohl aber in anderer Weise als bei den Rechensätzen. Und hier wieder die Fragen: Warum verlernen wir beim Autofahren nicht zu bremsen, wenn Rot vor uns aufleuchtet? Erstens weil wir es tagtäglich tun. Wir bleiben in Übung, genau wie es die Grundschullehrerinnen sind, die fast täglich sagen müssen: "Sieben mal neun ist dreiundsechzig." Zweitens aber, weil grundlegende Bewegungsabläufe wesentlich im Kleinhirn "verankert" sind.

Beim Behalten von geübten Sachverhalten spielt also die Regelmäßigkeit des Tuns und der Speicher-Ort eine Rolle. Es sollte klar werden, dass Rechensätze nicht "wie das Autofahren" (gewissermaßen wie im Schlaf) gekonnt sein können.


Gelernte kognitive Sachverhalte hinterlassen im Großhirn ihre "Spuren"

Kognitive Sach- und Sinnverhalte aktivieren und hinterlassen nach ihrer (mehrfachen) Wahr-Nehmung im Großhirn eine "breite Spur"! In Positronen-Emissions-Tomographien (PET) lässt sich zeigen, dass im Großhirn beim Hören eines Wortes große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche, beim Sprechen eines Wortes andere, aber wiederum große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche und beim Ausdenken eines Wortes wieder andere, aber wiederum große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche aktiviert werden.

Beim gleichzeitigen bewussten Hören, Sprechen und Ausdenken (Interpretieren) überlappen sich aber die aktivierten Bereiche und werden dadurch zusammenhängend. Spuren von Zusammenhängen bleiben dabei erhalten, die später ein ein Reproduzieren erleichtern.

Isoliertes Üben führt nicht zu stabilen Behaltensleistungen

Pauken und Bimsen sind ein kleinschrittiges Üben von isolierten Ausdrücken, Vokabeln, Fakten und Aussagen ohne jeglichen Sinn- und Sachzusammenhang. Bekannt ist aber, dass in Zusammenhängen Gelerntes länger behalten wird.
Erinnern wir uns hierzu an die obige Reorganisation von "sieben mal neun ist dreiundsechsig". Das Ergebnis wurde in der Gesamtstruktur des Einmaleins (hier: Tauschregel und Nachbaraufgabe ...), also in einer Metastruktur erinnert. Solche Strukturen aktivieren im Großhirn viele Bereiche. Gibt es unter den aktivierten Bereichen bereits Verbindungen oder können sie aktuell aufgebaut werden, weil es so geübt worden ist, so kann das Ergebnis ohne Nachschlaghilfe rekonstruiert werden, wenn es nicht bereits unmittelbar verfügbar war.

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